Dienstag, 21. Dezember 2010

Rauhnächte

Die Zeit zwischen Samhain und Yul gehört zu der dunkelsten des Jahres. Wir befinden uns auf dem engsten Weg hinab, in der Spirale des Jahreskreises. Es geht ganz weit nach innen. Werden wir es auch dieses Jahr schaffen, das Licht wieder in uns zu entzünden? Werden wir es schaffen, die Natur mit unserem inneren Feuer wiederzubeleben, wiederzuerstehen gleich den Göttern und uns frisch und jung dem Frühling entgegen zu erheben?
Die Zeit zwischen Samhain und Yul ist düster, kalt und ungewiss. Sie lauert voller rauer Dämonen, die der Zeit den Namen Rauchnächte einbrachte. Man räuchert in dieser Zeit viel (was auch irgendwie mit Rauch und den Weihnächten zu tun hat).
Es ist eine Zeit des Schutzes, in der man alles, was bewahrt werden soll, umhegt. Schau ich auf meinen Garten, liegt alles brach. Alles ist von Schneemassen und Eis bedeckt und geschützt mit einer dicken Schicht Reisig. Meine Katze schläft nur noch und ist kaum bereit, ihre Pfoten vor die Tür zu setzen und auch ich selbst fühle mich seltsam nach innen gekehrt.
Alle Pflichten bereiten mir Mühe und Anstrengung. Am liebsten möchte ich mich den ganzen Tag in die Arme meines Liebsten kuscheln und seine warme, lebendige Haut spüren, um mich daran zu erinnern, dass es das Leben gibt. Wohl jeden, der wie die Götter in der Unterwelt in dieser dunklen Zeit die Arme seiner Liebsten an seiner Seite weiß.
Die Tage sind grau und zwielichtig und selbst meine vielen Zimmerpflanzen kehren in sich ein, ziehen sich zurück, lassen die Blätter welken, gleich ihren Verwandten vor der Haustür. Empfindsame Menschen leiden in dieser Zeit an einer so genannten Herbst/Winterdepression. Auch in der Literatur finden wir dieses als Jahreszeitenmotiv.
Dem entgegen zu wirken hieße auch wirklich, einen wichtigen Bestandteil des Lebens unserer Vorfahren, unserer Identität aufzugeben. Es ist normal, denn zu dieser kalten Zeit bleibt man viel im Bett, man zeugte Kinder, es war die Zeit des Sähens. Man stand - als es noch keine Elektrizität gab früher auf, um die Tiere zu versorgen, um Hausarbeiten im spärlichen kurzen Tageslicht zu verrichten (flicken von Kleidung, weben/spinnen, Essen kochen, putzen, etc.). Man ruht sich aus und schaut nach innen, verarbeitet, was einem in der Hochzeit der Natur geschehen ist.
Abends saß die Sippe unserer Vorfahren beisammen, erzählte sich von den Göttern, von den Menschen der Sippe, den Alten und allem, was zwischen ihnen lebt. Man erfand und schuf Mythen. In diesen Mythen konnte man reisen, träumen, sich bewegen. Dabei wurden durch die Geschichten über die Taten unserer Vorfahren diese wieder lebendig.
Das Yulfest ist ein Fest der Familie und vor allem auch ein Fest der Freude, des Schmauses, wo die kläglichen Reste geteilt und auch verteilt wurden, wo man tanzte und somit die Zeit, in der das neue Licht wiedergeboren wurde, freudig begrüßte. Alle Menschen innerhalb der Gemeinschaft mussten mithelfen, damit es ein neues Leben gab und die Sonne nicht endgültig starb.
An den Tagen mit besserem Wetter gingen die Männer jagen, doch die Zeit um die Rauhnächte, die Zeit nach Yul, galt als tabu. Zu dieser Zeit jagten die Götter und Geister des Landes selbst. Wer mit ihnen lief, war entweder besonders mutig oder verzweifelt, entweder er wurde von Wotans Meute zerfetzt oder bekam einen minderen Teil von der Beute ab. Heute berichten Sagen über diesen Nachtjäger. Manch mutiger Mann forderte die Meute der Geister und Wesen heraus, um spezielle Macht und gutes Geschick zu erlangen.
Um diese Zeit erträglicher zu machen und das Geschick im nächsten Jahr zu beeinflussen, entwickelten sich Riten und Bräuche. Vielerorts wurde Asche aus dem Yulfeuer über die Felder gestreut und ein Teil vom Yulbraten wurde geopfert. Heute finden wir den Brauch vor allem bei den nordischen Völkern in Dänemark, Schweden und Norwegen, aber auch in Frankreich. Der Yulbock (Kohlestück aus dem Yulfeuer) und der Buche de Noel (Biskuit-Schokoladenkuchen in Form eines Holzkohlestücks) symbolisieren die Kraft der Sonne, die die Felder wieder fruchtbar machen sollte.
Man muss sich nur die heimelige Wärme des Feuers im Ofen vorstellen, welche die Schatten, die Dunkelheit und den Tod fernhält, um die magische Kraft eines Yulfeuers zu begreifen. Man schmückte - wie heute auch - die eigenen Räume mit Lichtern und immergrünen Pflanzen. Man räucherte viel, z.B. mit Kiefernharz, Burgunderholz, Angelikawurzel, Wacholder. Man traf sich mit Freunden und besuchte Wintermärkte (Wintherthing), auf dem man alkoholische Getränke, Essen und andere Waren erstehen konnte. Dazu kam, dass es auf dem Thing neben dem Austausch von Informationen (damals gab es weder Zeitung noch Internet, die Leute hatten ein lebendiges Netz zu unterhalten) auch Gericht gehalten wurde und man gemeinsam das Yulfest feierte und den Göttern opferte.
War es ein schlechtes Jahr und das Land starb, war dies auch traditionell die Zeit, wo man den König selbst den Göttern darreichte. Man erschlug ihn und versprengte sein Blut über Vieh und Felder. Daran erinnern uns noch heute die Farben dieses Festes, Grün für die Fruchtbarkeit (Freyr), Rot für die Lebenskraft (Freya), Weiß für den Tod (Knochen, Geister, Ahnen) und Gold für Baldur, den Sohn Odins/Wotans, dem Gott der Sonne.
Diese Farben, das Feiern, die Gemeinschaft, die Bräuche sind für mich das Essentielle, was mich vor der Tristesse der Winterzeit und dem ewigen Schlaf bewahrt; die Lichter, die geschmückte Wohnung in den heiligen Farben Weiß, Rot und Grün, die Düfte von Winterapfel und den aus dem arabischen Raum kommenden Gewürzen Nelke, Zimt und Anis, der Duft von Honig, von Kuchen. Die Lieder, die so viele Bedeutungen haben! 


Falk, Jul 2010

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